Danken UND Denken – Gedanken zum Erntedankfest
Wie in jedem Jahr begehen wir am ersten Sonntag im Oktober das Erntedankfest. Dessen Ursprünge reichen weit in die vorchristliche Zeit zurück und waren bereits in der kulturellen und religiösen Tradition von Griechen, Römern und Juden fest verankert. Christen feiern Erntedank etwa seit dem 3. Jahrhundert, in Deutschland etablierte sich dieser Brauch während des Mittelalters.
Bis heute werden an diesem Tag Kirchen und Altäre mit Ähren, Früchten, Blumen und vielen anderen Erntegaben geschmückt, um damit das für uns Menschen letztlich unergründbare Wunder der göttlichen Schöpfung wieder ins Bewusstsein zu rufen und uns daran zu erinnern, dass wir letztlich alles aus der Hand Gottes empfangen haben sowie um ein Zeichen der Dankbarkeit gegenüber Gott zu setzen.
Wir danken aber nicht nur für die Ernte oder materielle Güter, sondern für alle Gaben und Geschenke, die er in unser Leben gegeben hat: alle Fähigkeiten, die er in uns hineingelegt hat; Menschen, die unser Leben reich machen; die Zusage seiner Fürsorge und die Eröffnung einer ewigen Perspektive in seiner Nähe. Dahinter steht die Erkenntnis, dass wir für unser persönliches Wohlergehen im Grunde genommen nichts können; alles entspringt letztlich der Gnade Gottes.
Während wir an Erntedank Gott für seine Schöpfung preisen, stirbt jedoch weltweit alle fünf Sekunden ein Kind an Hunger und Unterernährung. Wie passt das zusammen? Reicht seine Schöpfung etwa nicht für alle Menschen? Mitnichten!
Nach Berechnungen der Vereinten Nationen kann die Erde problemlos bis zu zwölf Milliarden Menschen ernähren. Das Problem ist, dass 1,2 Milliarden Menschen aufgrund von dramatisch gestiegenen Weltmarktpreisen schlichtweg nicht genug Geld haben, um sich Grundnahrungsmittel wie Mais, Reis oder Weizen leisten zu können. Den Hintergrund für diese Entwicklung bilden unter anderem Nahrungsmittelspekulationen und die Verknappung des Nahrungsangebotes, welche durch den Klimawandel und den Anbau von Futtermitteln und Biokraftstoffen entsteht.
Erntedank sollte somit nicht nur ein Tag des Dankens, sondern auch des Nachdenkens über unser Handeln als Christen in dieser Welt sein, denn viele der Gründe für Hunger haben auch mit unserem persönlichen Leben zu tun.
Ganz konkret: Wie viele Nahrungsmittel landen bei mir im Müll? Muss es jeden Tag ein Schnitzel sein? Brauche ich zu jeder Jahreszeit frisches Obst aus den entlegensten Gegenden dieser Welt? Kann ich zum Einkaufen auch einmal das Fahrrad oder den Bus benutzen?
Als Christen, die ihren Glauben mit wirklicher Überzeugung leben wollen, sollten wir nicht nur dankbar sein für die göttliche Schöpfung, sondern auch verantwortungsvoll mit ihr umgehen.
Timo Ziegler